Markus Hutter & Silke Rokitta (2021)
I’m walking… Wandern, Spazieren und Flanieren sind Tätigkeiten, die fließend ineinander übergehen. Das Flanieren ist eher dem urbanen Raum zugeordnet und hat das Image, der Unproduktivität zu frönen und sich in einem Meer von urbanen Eindrücken zu verlieren. Mit dem Spazierengehen verbinden wir eher eine Tätigkeit, die zielgerichteter verläuft und womöglich einer Route folgt, die auch romantischen Ansprüchen genügt. Beim Wandern wird meist eine längere Strecke mit klaren Zwischenzielen und definiertem Endpunkt verfolgt.
Wir, Silke Rokitta und Markus Hutter, geben auf unseren Streifzügen durch Landschaften und Kulturräume dem Unvorhergesehenen Raum. Während unseres Umherschweifens haben wir Geologie, Topografie, Meteorologie, die Fauna und die Flora im Visier.
Die zahlreichen Alpentäler z.B. präsentieren auf relativ engem Raum eine erstaunliche Bandbreite an Kulturen, Bräuchen und Sprachen und weisen spezifische Eigenheiten auf. Die Vegetation ist vielfältig und perfekt an die jeweiligen Standorte angepasst. Vor einigen Jahren entstand der gemeinsame Plan, die visuellen Eindrücke zeichnerisch festzuhalten. Vorher hatten wir viel auf unseren Wanderungen fotografiert, und wir entwickelten ein Bedürfnis, die durchwanderte Landschaft anders als bisher wahrzunehmen und für unsere Erinnerung zu erhalten. Wir wollten primär herausfinden, wie wir mit den Techniken von Zeichnung und Malerei Erinnerung an Orte schaffen können. Dabei stellten wir fest, dass im Gegensatz zur Fotografie durch das Zeichnen eine differenziertere Wahrnehmung des Ortes für längere Zeit und intensiver in uns nachhallte.
Einen künstlerischen Anspruch an das Skizzierte wollen wir im Prozess des Zeichnens und Malens möglichst verbannen, wir sammeln visuelle Erfahrungen und denken die Landschaft „neu“. Im Zeichnen denkt man das Gesehene anders, es manifestiert sich durch eine physische Aktion, die Hand setzt das Gesehene in eine spezifische Form um. Auch wenn Zeichnung subjektiv ist durch die Auswahl von Ausschnitt und der Wahl, wie sich all die Elemente im Raum in der Zeichnung wiederfinden, empfinden wir die Zeichnungen als dokumentarisch.
Wir sammeln weitere Informationen über den Landschaftsraum, wir befragen topografische Karten, geologische Karten erklären uns die Entstehung der Landschaft, wir bestimmen Pflanzen und sammeln Steine. All diese Elemente beschreiben den Ort, an dem wir uns aufhalten, all diese Elemente der Arbeit beziehen sich auf ihn in seiner Vielfalt.
Durch die Installation eines 200cm x 400cm oder 133cm x 600cm großen Tisches (die Größe des Tisches ist grundsätzlich variabel) brechen wir die übliche Präsentationsweise von Bildmaterial (auf der Wand) und zeigen topografische Karten, geologische Karten, Zeichnungen bzw. Farbskizzen, vor Ort gesammelte Steine und Fotografien, die uns während des Zeichnens in der Landschaft zeigen.
Die jeweilige Zusammenstellung der einzelnen Elemente bezieht sich auf eine spezifische Region, zum Beispiel ein Tal, einen Pass, einen Kulturraum, einen Reiseabschnitt.
Im Arbeitsausschnitt „Surses“ (2021) konzentrieren wir uns auf dasVal Surses, den Oberhalbstein, ein Tal zwischen Julierpass und Thusis im schweizerischen Graubünden.
Abbildungen: Ausstellungsbeitrag „Surses“ (Markus Hutter & Silke Rokitta) zu „I am walking“, Begleitausstellung zum Atelierspaziergang der Region Hannover 2021, Schloss Landestrost, Neustadt a. Rbge.